Neubeginn und Ende der "Einstein-Schule" in der Nachkriegszeit

Die Stadt wird 1945 besetzt und auch die Schule wird von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) genutzt. So lagern in der Turnhalle eingezogene Radiogeräte, die sogenannten „Goebbelsschnauzen“ sowie requirierte Waffen und Munition.

Der Krieg ist am 8. Mai 1945 offiziell zu Ende und die SMAD beschließt, so schnell wie möglich, Schulen wieder zu öffnen. Am 22. Mai 1945 nehmen die Schulen den Betrieb wieder auf. Die Schule ist beim Bombenangriff nur wenig zerstört worden und außer einigen kaputten Fenstern und Türen ist das Schulhaus unbeschadet. Das ehemalige Realgymnasium wird zur Oberschule und erhält den Namen „Einsteinschule“. Aufgrund der teilweise kompletten Zerstörung anderer Schulgebäude der Stadt, findet der Unterricht im Schichtbetrieb vormittags und nachmittags statt, so dass z.B. auch die 1. Städtische Oberschule (heutiges Humboldt-Gymnasium) in den Räumen an der Hegelalle Unterricht hat. 

Im Rahmen der Schulreform werden zahlreiche belastete Nazis aus dem Schuldienst entlassen, und man stellt sogenannte Neulehrer ein, die in dreimonatigen Kursen auf ihre neue Tätigkeit vorbereitet werden. Da die alten Lehrbücher mit nationalsozialistischen Inhalten aussortiert werden, erfolgt der Unterricht zunächst ohne Bücher.  Der ehemals strafversetzte Dr. Meyer kehrt aus Brandenburg zurück und ist zunächst für den Posten des Direktors vorgesehen. Dieser tritt sein Amt jedoch nicht an, sondern berät den sowjetischen Bildungsoffizier Oberstleutnant Klujeff in Fragen der Neuorganisation der Schulen. Direktor wird der als unbelastet eingestufte Dr. Meierfeldt, später auch SED-Mitglied, der auch in schwierigen politischen Situationen versucht, ausgleichend zu wirken und auf der Seite seiner Schüler steht. Bald kommen in der sowjetischen Besatzungszone Neulehrer hinzu, denn viele Stellen sind unbesetzt, da viele Nazis aus dem Schuldienst entlassen werden oder sich in den Westen abgesetzt haben.  

Auf dem Stundenplan steht das Fach Russisch zunächst als Wahlfach, später als Pflichtfach, um die Schüler mit der Kultur der Sowjetunion vertraut zu machen. Einige Schüler seien sogar begeistert gewesen eine neue Sprache zu lernen, die ihre Eltern nicht konnten, so die Aussage eines ehemaligen Schülers Herr Schlüter in seinem Brief im Rahmen des Schulprojektes 1998. Nicht alle Schüler waren aber von diesem Fach angetan. Der 15-jährige Schüler Hermann Schlüter weigert sich sogar, am Unterricht teilzunehmen. Er allerdings meint, dass es nichts mit der Sprache zu tun habe, sondern Probleme mit der Russischlehrerin gewesen seien, die dazu führten, dass einige Jungen lieber Fußball spielten, als am Unterricht teilzunehmen. Er ist damit nicht allein. Wenn sie gewusst hätten, welche schlimmen Folgen ihr „Schwänzen“ hat, wäre es wohl nicht dazu gekommen. Die SMAD reagiert äußerst rigide auf jeden Widerstand aus der Bevölkerung und macht vor minderjährigen Jungen nicht halt. Seine Klassenkameraden Joachim Douglas und Klaus Tauer werden noch vor ihm vom sowjetischen Geheimdienst, dem NKWD verhaftet,  verhört und erpresst, in Zukunft als Spitzel für den Geheimdienst zu arbeiten. J. Douglas kommt eine Woche später noch einmal frei, so Schlüter, und sei ganz verändert gewesen. Am Tag seiner Verhaftung am 18. Dezember 1945 wird auch sein Freund Klaus Eylert vom NKWD abgeholt.

Am 18. April 1946 erfährt Herr Schlüter sein Urteil. Die Todesstrafe wird für ihn in 20 Jahre Arbeitslager umgewandelt. In Torgau und Bautzen sitzt er jahrelang ein. Als Transporte in sowjetische Lager nach Workuta zusammengestellt werden, ist sein körperlicher Zustand so schlecht, dass er in der SBZ/DDR verbleibt, bis er am ersten Jahrestag der Gründung der DDR am 7. Oktober 1950 amnestiert wird. Für seine drei Mitschüler (Douglas, Eylert, Tauer) gilt das nicht, ihre Strafe wird am gleichen Tag vollstreckt - die Todesstrafe.

 Am 1. Mai 1946 beteiligen sich mehrere Schüler der Schule an einer Protestaktion, indem sie sich statt roter Nelken weiße anstecken. Zu den Schülern, die eine solche weiße Nelke trugen, gehört Peter Runge. Geboren 1929 erlebt er das letzte Kriegsjahr in der Hitlerjugend als 15-jähriger beim Kriegseinsatz im Osten. Auf der Flucht gerät er kurzzeitig in Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr im August 1945 besucht er die Einsteinschule. Er sucht die Gelegenheit, mit Andersdenkenden zusammenzukommen. Die „Falken“, die Jugendorganisation der SPD in Berlin West, machte es ihm möglich, politisch aktiv zu werden.

Peter Runge kauft in Westberlin weiße Nelken und verteilt sie unter seinen Mitschülern. Er sagt selbst, dass er sich nicht bewusst war, welche Folgen eine solche Tat nach sich ziehen könnte. Bereits am 2. Mai wird er verhaftet und von der Polizei an den NKWD übergeben. Ohne Verhandlung und Urteil wird er im November 1946 in das sogenannte „Speziallager Sachsenhausen“ gebracht. Am 17. Dezember 1950 wird er entlassen und kehrt für eine kurze Zeit an die Einsteinschule zurück, kann sich aber nach den Erlebnissen im Lager nicht in den Schulalltag integrieren. Später flüchtet auch er aus Angst vor erneuter Verhaftung nach Westberlin. 

Die 1946 gegründete SED legt für die Schulen Richtlinien der politischen Erziehung der Jugendlichen fest, denen auch die Lehrer zu folgen haben. 1950 spitzt sich die Situation in der Schule deutlich zu. Es gibt Unterrichtsverweigerungen in den Klassen 10 und 11 der Oberstufe. Der Druck auf die Schüler ist hoch, immer wieder werden sie aufgefordert der Freien Deutschen Jugend (FDJ), der Jugendorganisation der SED, beizutreten. Der Protest der Schüler richtet sich vor allem gegen Peter Wefers, einen Lehrer, der mit starkem Druck versuche habe, die Schüler zum Bekenntnis zum Sozialismus und zum Eintritt in die FDJ zu bewegen. Wefers, 1937 selbst Absolvent der Wilhelm-Frick-Schule , ist als Neulehrer für Sport, Geografie und Gegenwartskunde an die Einsteinschule gekommen. Er wird später Direktor der Helmholtz-Schule. Sein Umgang mit und Druck auf die Schüler wird in mehreren Brief auch als Motivation für eine Flucht genannt. 

Am 12. Juni 1950 setzen sich schließlich eine Schuklasse und zwei Lehrer nach Westberlin ab. Am 15. Juni 1950 findet eine weitere Versammlung statt, in der Vertreter der SED von einer Verhetzung der Jugendlichen durch den Westen sprechen. Angeblich könnten sie auch zurückkehren, ohne Repressalien fürchten zu müssen. Niemand macht davon Gebrauch.

Bürgermeister Gerigk besucht die Einsteinschule am 27. April 1950 und hält einen Vortrag vor Schülern der Oberstufe. Im Ergebnis äußert er sich sehr negativ über die anwesenden Schüler. In einem Artikel der Tagespost vom 30.4.1950 fordert er eine stärkere politische Arbeit in der Schule ein und meint, dass es so nicht weitergehen könne. In einer Antwort verteidigt Dr. Meierfeldt in der Zeitung sowohl Lehrer als auch Schüler. Er spricht davon, dass es nicht darum geht, die Schüler zu etwas zu zwingen, sondern sie für die „demokratische Sache“ zu gewinnen. Der Direktor weist auf die aktive Beteiligung der Schüler bei Aufräumarbeiten hin und widerspricht dem Vorwurf, sie seien „reaktionär“. Gewünscht hätte er sich wohl auch, dass zuerst mit den Betroffenen gesprochen würde, statt den Staat zu bemühen. 

Im Anschluss wird die Schule geschlossen. Ihr Direktor Dr. Meierfeld arbeitet fortan in der Helmholtz-Schule als Erdkundelehrer.